Ungläubig glauben – Teil 3
Gerne würde ich unbeschwert glauben. Ich würde ziemlich viel dafür tun.
Aber das geht nicht mehr.
Vielleicht geht das mit dem Glauben
irgendwann
irgendwie.
Aber nicht unbeschwert.
Nicht unbelastet.
Manchmal frage ich mich, wie andere das machen. Machen die sich keine Gedanken? Finden die so einfach Antworten?
Einfach ist es wohl für die wenigsten.
Man sagt, glaube sei ein Geschenk.
Vom Geist gewirkt.
Man müsse halt die Bibel lesen (was ich mir momentan erfolgreich abgewöhnt habe).
Oder man macht halt Erfahrungen. Mystische. Wundersame. Sehr persönliche. Bedeutsame. Tiefe. Geschichten.
Das lässt sich nicht reproduzieren.
Nicht übertragen.
Er lässt sich zwar mitteilen. Aber das ist nicht dasselbe, wie es selber zu erleben.
Und davon berührt werden.
Und wenn man nun keine Erfahrung macht?
Ist das dann Unglaube?
Was ist Unglaube?
Ist es das Unvermögen, Wahrheit zu formulieren? Fehlen die Worte?
Oder ist die Wahrheit schwer zu ertragen, so dass man sich scheut?
Erkenne ich die Wahrheit nicht?
Und hat Glaube am Ende überhaupt mit Wahrheit zu tun?
Geht es darum, Wahrheit zu begreifen und für wahr zu halten?
Für uns ist Wahrheit ja immer nur eine Annäherung. Ein vorläufiges Vermuten. Annehmen.
Ein Konstrukt.
Waage.
Unsicher.
Ich finde in Glaubensdingen jedenfalls keine Sicherheit.
(Der Theologe Jüngel meint ja, dass Glaube eine Entsicherung sei.)
Ich kann Sicherheit nicht herstellen. Keine Gewissheit.
Kann das Leben nicht kontrollieren.
Auch Gott nicht.
Ich muss Ungewissheit aushalten und werde mir bewusst, dass ich nichts tun kann.
Einmal hat ja ein Mensch Jesus gefragt, was er denn tun müsse, damit er errettet werde.
Jesus hat ihm dann ein paar Dinge genannt.
Der Typ meinte, er würde das schon tun.
Dann sagte Jesus (vielleicht, weil er einfach etwas total Übertriebenes aus der Luft greifen wollte), dass der Mann alles Hab und Gut verkaufen und das Geld weggeben solle.
Das konnte der Mann dann nicht tun.
Der Mann hat also alles bereits getan, was er tun konnte. Damit war er aber nicht zufrieden. War der Antwort nicht nahe gekommen. Er war innerlich immer noch unruhig. Sein Tun hat ihm nichts gebracht. Aber auch das Wissen, die entscheidenen Dinge nicht tun zu können (und vielleicht daher auch nicht zu müssen…), hat ihm nicht geholfen. Und damit konnte Jesus nichts für den Mann tun. Es blieb dem Typen nichts anderes übrig, als traurig wegzugehen. Bis vielleicht der Zeitpunkt kommen würde, an dem sich die Frage ändern würde.
Tun ist die falsche Kategorie, wenn es um Glauben geht.
Und gerade bin ich in dem Modus des Tuns.
Ich werde auf diese Weise keinen Glauben finden.
Also kann ich gerade auch nur traurig von dieser Frage weggehen.
Hoffentlich ändert sich für mich die Frage. Irgendwann.
Was nicht heißt, dass die Frage unwichtig wäre.
Aber – was auch immer genau Unglaube nun ist – er lässt sich nicht durch tun bekämpfen. Er scheint dadurch nur stärker zu werden. Also lass ich das. Und halte aus, dass es mich traurig macht, den Unglauben gerade nicht loszuwerden.
Stattdessen beobachte ich. Nehme wahr, was in mir uns um mich geschieht. Führt das dann zum Glauben? Weiß ich nicht. Aber es dürfte mich ins Hier und Jetzt führen. Und wenn diese Gotteskraft mir gegenwärtig sein soll, dann wäre es ja naheliegend, dass ich selber auch gegenwärtig bin. Schaden wird das nicht.
Anne Renée
5. Februar 2020 @ 12:55
Lieber Jason,
vielen Dank für diesen Text! Ich fühle diese ohnmächtige Traurigkeit auch.
Vielleicht ist unser Glaube in dieser Traurigkeit??
Liebe Grüße, Anne Renée
Jason
9. Februar 2020 @ 10:48
Hey Anne-Renée,
danke für die Rückmeldung!
Ich kann mit der Formulierung viel anfangen. Ich hoffe, dass Glaube auch in Traurigkeit sein kann. Traurigkeit ist ja nicht etwas, dass ich mir aussuchen würde. Aber es ist eben auch da und hat seine Berechtigung. Wenn Glaube das nicht umarmen kann, dann wäre das zu wenig für mich. Mir scheint aber, dass Glaube hier sehr viel und Relevantes zu sagen und geben hat. Mal sehen.
Anne Renée
1. März 2020 @ 21:47
Ja, ganz bestimmt! Vielleicht sogar in mehrfacher Hinsicht: Zum einen hoffe ich, dass Glaube der Traurigkeit, die man ehrlich zulässt, begegnen kann – also dass er eine Trosterfahrung sein kann. Aber da der Trost manchmal auf sich warten lässt, ist mir auch noch ein anderer Gedanke wichtig geworden: Dass der Glaube manchmal auch Traurigkeit bewirkt. Um es mit Sebastian Rink zu sagen (hab eben Folge 2 gehört): Da, wo wir (oder andere, oder die Menschheit im allgemeinen) schmerzhaft weit von der Utopie der Bergpredigt entfernt sind, da ist Traurigkeit vielleicht auch etwas Geistgewirktes. Drastisch ausgedrückt: Was wäre es für ein Glaube, der angesichts des Anschlags von Hanau nicht traurig wäre? Oder angesichts ertrinkender Flüchtlinge? Oder angesichts einer zerbrochenen Partnerschaft? Oder angesichts verheerender Umweltschäden? … Oder eben: Angesichts der unerfüllten Sehnsucht nach dem, was wir uns unter einer Gottesbeziehung vorstellen?
Es wäre doch irgendwie ein kalter Glaube. Ich mag Traurigkeit nicht fühlen und aushalten müssen – aber wenn ich ehrlich bin, wäre so ein Glaube auch wieder nichts für mich.