Ohne ist halt auch scheiße.
Wie würde Kirche denn aussehen, damit sie für mich passt?
Ich kann mir absolut nicht vorstellen, wieder in einer Gemeinde oder Kirche verbindlich dazuzugehören. Jedenfalls nicht in der Machart, wie mir das bislang begegnet ist. Formen wie Inhalte passen für mich einfach nicht.
Neulich habe ich beim Kaffee mit der großartigen Singer-Songwriterin @Frau_Locke_Musik darüber nachgedacht, wie denn Kirche sein müsste, damit das für so Menschen wie uns passen (was auch immer das heißen mag) könnte.
Es ist ja nicht so, dass ich mir nicht eine gewisse Art Kirche wünschen würde. Ein Ort, an dem ich meine spirituelle Suche mit anderen gestalten kann, ist mir sehr wichtig. Und ich möchte mich einbringen, um diese Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Aber es ist kompliziert.
Ich kann mich leider nicht für ein wöchentliches Ding verpflichten. Jeden Sonntag zu einer festen Uhrzeit – so funktioniert mein Leben beim besten Willen nicht. Mein Leben besteht aus Phasen, ich kann Termine legen und mir Platz schaffen, damit ich dabei sein kann. Aber ein regelmäßiger Rhythmus geht nicht wirklich.
Ich stelle mir also eine Gemeinschaft vor, die eher Projektcharakter hat. Besser: Es müsste eine Plattform für Projekte sein, die aus meiner Sicht relevant sind. Ich kann mich vielleicht für einen Zeitraum von 3-5 Wochen verpflichten, um intensiver an eine Sache zu arbeiten. Vielleicht kann ich dann ein Konzertevent mit organisieren, ins Tonstudio gehen, einen Workshop durchführen, Menschen beim Deutschlernen helfen usw. Danach möchte ich mein Fokus aber wieder auf anderen Dingen legen.
Dann Gottesdienste.
Puh.
Durch Corona ist mir wieder einmal bewusst geworden, dass sie mir im Grunde nicht fehlen. Was mir an Gottesdiensten gefällt, findet eher trotz ihnen statt – nicht unbedingt wegen ihnen. Zu den Gottesdiensten kommen im Idealfall Menschen, die mir wichtig sind und mit denen ich mich gemeinsam auf die Reise machen möchte. Der Gottesdienst gibt mir eine Gelegenheit, diese Menschen zu sehen.
Nur, dass ich in der Zeit des Gottesdienstes gar keine Gelegenheit habe, mich mit diesen Menschen über die tiefen spirituellen Dinge auszutauschen. Daher ist mir die Zeit danach eigentlich am wichtigsten. Kann es keine anderen Formate geben, bei denen diese Begegnungen nicht zu kurz kommen?
Zu den Gottesdiensten zählt die Predigt. Ich mag manche Predigten. Aber mir würde es völlig ausreichen, sie als Podcast zu hören. Oder als YouTube-Video. Wenn es eine Live-Veranstaltung geben sollte, bei der ich mir einen Wortbeitrag anhöre, dann muss der Inhalt in höchstem Maße überzeugen. Zu einem Poetry-Slam würde ich gehen. Aber zu einer Predigt? Aber unterm Strich könnte man diesen Teil lieber in die digitale Sphäre verlegen.
Dann gibt es Worship. Ich kann nicht ausdrücken, wie wichtig Musik für mich ist. Aber Worship hat mich total verloren. Ein Grund ist, dass ich mich viel zu schnell langweile. Ich kann auf Spotify einen Song schleife hören. Vielleicht einen Tag. Aber dann kann ich den ein Jahr nicht mehr hören. Worship ist für mich wie eine jahrelange Dauerschleife – und ich glaube fast, dass ich für dieses Leben genug davon habe.
Musik lebt davon, dass Kunstschaffende sich da richtig reingeben. Ich kann kein gutes Konzert spielen, wenn ich danach nicht klatschnass von der Bühne krieche. So erlebe ich Worship aber nicht. Nach einem Gottesdienst muss man sich da nicht erst einmal umziehen. Diese Art von Musik wirkt auf mich sehr domestiziert. Bei dieser Art von Musik tritt die Musik in den Hintergrund, sie wird als Mittel verzweckt, um Menschen in Gottes Gegenwart zu bringen. Und das ist völlig kontraproduktiv. Die Kunst muss freigelassen werden, dann kann es spirituell werden. Aber das geht nicht wirklich gut, wenn es dafür nicht Raum gibt. Ich würde daher dafür plädieren, dass Kirche Musik aus dem Gottesdienst auslagert.
Ich kann mir auch Gottesdienstformen vorstellen, in denen Musik Teil eines größeren Bogens ist und sich in eine Vielzahl von Elementen eingliedert. Völlig in Ordnung. Das gehört auch zur nötigen Freiheit. Gemeinde sollten Räume schaffen, an denen Musik zur Entfaltung kommt, aber man sollte Musik eher nicht nicht in ein Korsett von 3-5 Songs vor der Predigt pressen.
Vermutlich braucht es physische Räume. Auch wenn Corona gezeigt hat, wie viel man ins Digitale übersetzen kann. Räume haben im besten Fall einen eigenen Zauber. Wenn man nämlich Wert auf Design legt. Und Räume als eigene Predigt versteht.
Dann ist aber die Herausforderung, dass ich mit Menschen unterwegs bin, die zu weit auseinander wohnen, als dass wir uns ohne Weiteres an einem physischen Ort treffen können. Es braucht digitale Vernetzung und Möglichkeiten, digital dabei sein zu können. Kirche müsste konsequent vom Digitalen her gedacht sein.
Und dann geht es mir auch um Inhalte. Kirche müsste eine Reisegemeinschaft sein. Anteilnehmen und gemeinsam suchen. Es braucht nicht die fertigen Antworten. Ich merke, wie allergisch ich darauf reagiere, wenn es da vorne die eine Person gibt, die den geistlichen Hut auf hat. Die eine Person, die gültige Wahrheiten verkündet, die dann scheinbar von allen mitgetragen werden.
Ich kann verstehen, dass es toll ist, wenn Menschen das Gefühl haben, mit Gleichgesinnten unterwegs zu sein. Eine Gruppe, in der alle dasselbe Glauben, kann ein Sicherheitsgefühl geben. Das ist aber nicht meins.
Glaube ist ein Gemeinschaftsding. Es ist schön, wenn die Gruppe mitträgt und man selber auch für andere mitglauben kann. Ich fände es aber wichtig, dass der Tenor ist, dass wir alle gemeinsam auf der Suche sind. Die Suche verbindet uns, nicht die fertigen Antworten. Von vorne (wenn es ein Vorne denn überhaupt braucht) sollte nicht eine vermeintliche Gewissheit verkündet werden, sondern eine Einladung zum Fragen, Zweifeln und Suchen.
Das wäre doch einmal was.