Subtext 01 | Kein Brot
Und er sprach zu ihnen: Wer von euch wird einen Freund haben und wird um Mitternacht zu ihm gehen und zu ihm sagen: Freund, leihe mir drei Brote, da mein Freund von der Reise bei mir angekommen ist und ich nichts habe, was ich ihm vorsetzen soll! Und jener würde von innen antworten und sagen: Mach mir keine Mühe! Die Tür ist schon geschlossen, und meine Kinder sind bei mir im Bett; ich kann nicht aufstehen und dir geben? Ich sage euch, wenn er auch nicht aufstehen und ihm geben wird, weil er sein Freund ist, so wird er wenigstens um seiner Unverschämtheit willen aufstehen und ihm geben, so viel er braucht. Und ich sage euch: Bittet, und es wird euch gegeben werden; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch geöffnet werden! Denn jeder Bittende empfängt, und der Suchende findet, und dem Anklopfenden wird geöffnet werden.
Lukas 11, 5ff
Wie kann es sein, dass man seinem Freund nichts zu Essen anbieten könnte?
Der Theologe William Herzog II führt einige kluge Gründe an, die für eine besondere Situation sprechen. Zur damaligen Zeit dürften viele der Hörer*innen von Jesus genau das im Alltag gekannt haben: Lebensmittelknappheit.
Dahinter steckte eine Strategie der Römer.
Sie verlangten hohe Steuern und Abgaben. Und schwächten so den Widerstandsgeist der Landbevölkerung und übten Kontrolle über die besetzten Israeliten aus.
Das hier ist eine Parabel aus einer Kultur, in der Gastfreundschaft über alles geht.
Und in der das eine kollektive Angelegenheit ist. Nicht der Einzelne hat die Verantwortung, Gäste zu versorgen, sondern die Gemeinschaft. Das ganze Dorf.
Die schlafenden Kinder und die verschlossene Tür könnten eine ziemlich offensichtliche Ausrede sein. Eine Reise hat man damals eher nicht alleine mit einem Rucksack angetreten. Da dürfte deutlich mehr Betrieb gewesen sein. Lasttiere. Gefolgsleute. Krach. Das Dorf wird ohnehin wach gewesen sein. Ruhestörung war dabei gar nicht das Problem.
Was ist also passiert?
Der äußere Druck hat die Dorfgemeinschaft zerrüttet. Hat die normale Solidarität erstickt. Hat das Verantwortungsbewusstsein, das Gefühl von Würde und Ehre verschwinden lassen.
Und dann war da einer, der sich diesem äußeren Druck nicht unterwerfen wollte. Der klopfte an die Türen, weil er noch an die Gemeinschaft glaubte. An den Zusammenhalt. Auch dann, wenn das von anderen als unverschämt angesehen wurde.